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8. Januar 2014
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Die Höhlenmensch-Variante
Andreas Laux, 36, Journalist
Greta schläft. Macht sie jeden Vormittag. Manchmal eine Stunde, manchmal zwei. Sonst wird sie unleidlich. Unleidlich ist sie eigentlich nie. Ginge es hier um einen Hund, man müsste meine Tochter pflegeleicht nennen. Ich kann auf dem Balkon sitzen und noch einen Kaffee trinken.
Heute beginnt meine Elternzeit. Greta ist fast ein Jahr alt. Ich übernehme jetzt. Nicht die Superpapa-Variante, sondern nur die zwei Monate, die man mindestens nehmen muss, damit die Subventionen munter sprudeln. Ich hatte das anders geplant, hätte mich auch gerne sechs Monate um Kind und Küche gekümmert. Nicht weil ich so modern und fortschrittlich bin, sondern weil ich die Aussicht sehr verlockend fand, ein halbes Jahr lang kein Büro von innen zu sehen. Aber dann kam ein neuer Job und alles anders.
Was ich mir unter Kinderhaben vorgestellt hatte, als ich damals mit Daniela, meiner Frau, darum rang, wer wie lange nicht zur Arbeit gehen darf, das war Blödsinn. Da war Kinderkriegen auch noch in ungefährer Ferne. Endlich die CD-Sammlung in Ordnung bringen, viel lesen und, ach ja, ein bisschen aufs Kind aufpassen, so hatte ich mir die Vaterzeit vorgestellt. Daraus wird nichts, das habe selbst ich inzwischen verstanden.
Greta hat mein Leben durchgeschüttelt. Es ist nicht die Zeit und die Maloche, nicht das Besorgen, Kümmern, Ranschaffen. Das lässt sich organisieren, auflisten, abhaken. Was sich aber nie mehr abhaken lässt, ist dieses Gefühl, da zu sein für einen anderen Menschen, ohne Ausweg und Kompromiss. Nicht wie im Kino: Ich werde immer für dich da sein. Nein, die Höhlenmensch-Variante: Wenn ich nicht da bin, kommt der Säbelzahntiger und reißt mein Junges. Klingt das pathetisch? Hätte ich darauf vorher kommen können? Ja. Und trotzdem hat mich das Gefühl überrollt.
Greta ist wach. Wir werden spazieren gehen, denke ich. Die Zeit zu zweit mit ihr mag ich sehr. Wenn wir so schlendern, sie im Kinderwagen ich dahinter, wenn wir dann Halt machen an dem Kiosk im Park, sie mampft Gebäck und ich trinke was, dann fühlt sich das nicht ganz so an wie Vater und Tochter. Eher wie ein Augenblick, den sich beide ausgesucht haben, damit sie ihn zusammen haben. Wie Freunde so ähnlich.
Zwei Monate werden Greta und ich solche Augenblicke haben. Viel Zeit werde ich nicht mehr haben für umherrschwirrende Gedanken, nicht für meine blöden Fragen, auf die es eben jetzt noch keine Antwort gibt und die mir immer noch schweißnasse Hände bescheren. Zwei Monate geht es um uns. Ich glaube, wir werden gute Freunde.